Chronik der Evang. Kirchengemeinde Niederaula 1979 - 2004
Wenn auf die Geschichte einer Kirchengemeinde zurückgeblickt wird, fallen dem Gedächtnis zuerst die Namen der in ihr tätigen Pfarrerinnen und Pfarrer ein. Mit ihnen verbinden sich die Erinnerungen an kleine und große Anlässe, an Taufen und Konfirmationen, an Feste wie Fahrten, an mutmachende und tröstende Begleitung, an sich Mitfreuen wie Mittrauern.
Für die Gemeindepfarrstelle Niederaula sind da nur wenige Namen zu nennen, selbst wenn man das ganze vergangene Jahrhundert mit einbezieht, denn hier blieben die Pfarrer im Vergleich mit anderen Landpfarrstellen viele Jahre. Das waren in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts von 1896 - 1920 Pfarrer Schröder, von 1920 - 1933 Pfarrer Heppe und von 1933 - 1958 Pfarrer Biskamp. Sie wurden von jungen Hilfspfarrern unterstützt, deren Dienstzeiten in der Regel nicht länger als zwei Jahre dauerten, bevor sie anderswo eine eigene Pfarrstelle übernahmen. Nötig war ihr Dienst, weil die Pfarrstelle Niederaula für das gesamte Kirchspiel zuständig war, zu dem neben der Kirchengemeinde Niederaula (mit den eingepfarrten Ortsteilen Solms und Kleba) noch die selbständigen Kirchengemeinden Mengshausen, Niederjossa und Hattenbach (mit Kemmerode und Reimboldshausen) gehörten.
Nachdem 1958 Pfarrer Biskamp in den Ruhestand verabschiedet worden war, richtete die Landeskirche anstatt der Hilfspfarrstelle eine reguläre zweite Pfarrstelle ein. "Niederaula 1“ (1958 - 1977 Pfarrer. Glaessel, 1978 - 1991 Pfr. Brauer, ab 1991 Pfarrer Ewald) hatte weiterhin im Pfarrhaus im Kirchweg den Dienstsitz und war nun für Niederaula westlich und südlich der Ziegenhainer- und der Haupt/Hersfelderstraße, für Kleba und Hattenbach zuständig. ,,Niederaula II“ umfasste den bergseitigen Teil Niederaulas und dazu Mengshausen, Solms und Niederjossa. In der Hattenbacher Straße wurde ein zweites Pfarrhaus gebaut. Pfarrstelleninhaber waren von 1958 bis 1967 Pfr. Eifert, von 1968 - 1980 Pfarrern Matthias (die erste Pfarrern im Kirchenkreis), 1982 bis 1984 Pfr. Meister und von 1984 --1987 Pfr. Schramm.
In den 60er Jahren wurden Reimboldshausen und Kemmerode aus der Kirchengemeinde Hattenbach auf eigenen Wunsch nach Kirchheim ,,umgepfarrt“. Für die Konfirmanden aus diesen Dörfern wurde der Weg zum Unterricht nun erheblich kürzer.
1987 wurde auch in Niederaula eine Änderung nötig. Niederaula war einwohnermäßig soweit gewachsen, dass es nun mit Solms und Kleba eine eigene Pfarrstelle ergab. Die Pfarrstelle II wurde nach Niederjossa verlegt. Von hier aus war Pfarrer Schramm auch für Hattenbach und Mengshausen zuständig. Das Pfarrhaus II wurde verkauft und in Niederjossa neu errichtet. Die Gottesdienste in Niederjossa, Hattenbach, Niederaula und Mengshausen teilten sich Pfr. Brauer und Pfr. Schramm weiterhin in vierzehntägigem Wechsel auf, so dass in jedem Ort einmal um 9 Uhr und einmal um 10.30 Uhr die Glocken zur Kirche riefen. 1992 fand diese Regelung ihr Ende, nachdem die Kirchengemeinde Mengshausen auf eigenen Wunsch aus dem Kirchspiel Niederjossa ausschied und mit Kerspenhasuen zu einem Kirchspiel zusammengeschlossen wurde. In Niederaula wird seit dieser Zeit regelmäßig um 10 Uhr, am letzten Sonntag des Monats um 19 Uhr, der Gottesdienst gefeiert. Zusätzlich ist jede Woche donnerstags um 9.45 Uhr Ev. Gottesdienst im Kreisaltenheim und, zu besonderen Anlässen wie Advents- oder Passionszeit oder Dorffest, in Kleba und Solms.
Auch wenn sich heute die Gemeinden des ehemaligen Kirchspieles Niederaula auf mehrere Pfarrstellen verteilen, ist doch ein selbstverständlicher Zusammenhalt gewachsen, der sich z. B. in gemeinsamen Seniorennachmittagen und -fahrten, Weltgebetstagsfeiern, Adventsfeiern der Frauenkreise oder Feiern der Silbernen und Goldenen Konfirmation zeigt. Regelmäßig finden Kirchspielsgottesdienste im Grünen statt (alle zwei Jahre auf der Mengshäuser Kuppe mit Chören, Himmelfahrtsgottesdienste im Hattenbacher Hain, im September Gottesdienst auf dem Sängerplatz in Niederjossa). Einzigartig für den Kirchenkreis Hersfeld ist auch die gemeinsame Herausgabe der ,,Kircheneule“, des Gemeindebriefes für Niederaula (Solms und Kleba), Niederjossa und Hattenbach, durch zwei, zu verschiedenen Gemeinden gehörende, Landpfarrämter.
Zum anderen hat es die Neustrukturierung, drei Pfarrstellen statt ehedem einer im ehemaligen Kirchspiel Niederaula, den einzelnen Kirchengemeinden erleichtert, besondere Schwerpunkte und Akzente zu setzen. Eigene Gemeinderäume, bzw. Nutzung der Dorfgemeinschaftshäuser vor Ort ermöglichen es den Kirchenvorständen in Zusammenwirken mit den Pfarrern und Gemeindegliedern, auf gemeindespezifische Bedürfnisse einzugehen, wie sie sich z.B. in Spielkreisen, Kinderchören, Bibelkreisen oder Kinder- und Jugendclubs zeigen.
Immer wieder haben im vergangenen Vierteljahrhundert auch aktuelle Themen die Gemeindeglieder bewegt und ihren Niederschlag in Gemeindeveranstaltungen gefunden. Dies waren u.a. in den 80er Jahren die Friedensfrage, der Strukturwandel in der Landwirtschaft oder der Fall der Berliner Mauer, in den 90er Jahren die deutsche Wiedervereinigung, die dramatische Zunahme ausländerfeindlicher Übergriffe in Deutschland oder die Erinnerung an denkwürdige Geschehnisse der Niederaula betreffenden Geschichte wie das Ende des 2. Weltkrieges, die Vertreibung der Joslowitzer aus ihrer Heimat oder die Vernichtung der jüdischen Gemeinde Niederaula. Mit Friedensgebeten, Gedenkandachten, Vorträgen oder auch einmal einem Hoffest wurde deutlich, dass die Stimme des Evangeliums in alle Bereiche unseres Lebens hinein spricht. Leider gab es auch im beginnenden 3. Jahrtausend n. Christi Geburt neue Anlässe für besondere Friedenandachten (11. Sept. 2001, Irakkrieg).
Wenn eingangs die Namen der in der Kirchengemeinde Niederaula tätigen Pfarrerinnen und Pfarrer genannt wurden, darf dahinter nicht die große Anzahl der ehren- und nebenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zurückstehen, die Kreise leiten oder mittragen oder die im Hintergrund mitwirken. Auf rund 130 beläuft sich die Zahl derer, die im Kirchenchor(25) mitsingen oder im Bastelkreis(25) zusammenkommen, die sich in den drei Frauenhilfen(35) versammeln oder im Kinderchor(15) ihre Stimmen erschallen lassen, die sich als Bläser(10) oder Jungbläser(5) üben oder im Besuchsdienstkreis(5) mitarbeiten. Nicht mitgezählt sind hier die 35 köpfige Konfirmandengruppe, die im Jahr 2004 konfirmiert wird, die Kinder und Eltern der zwei Spielkreise und die von der Ortsjugendpflege betreuten Kinder und Jugendlichen. Zur Zeit teilen sich vier Kirchenmädchen den verantwortungsvollen Küsterdienst mit Glockenläuten, Kerzen anzünden, Altar-, Tauf- und Abendmahlsvorbereitung, dem Anschlagen der Liednummern für den Gottesdienst und weiteren vielen kleinen Tätigkeiten.
15 Kirchenvorsteherinnen und Kirchenvorsteher leiten in Zusammenarbeit mit Pfarrer Ewald die Kirchengemeinde. Unterstützt von Kirchenältesten und von Ehrenmitgliedern fassen sie Beschlüsse z.B. über die Haushaltspläne, über Baufragen oder über Grundlinien der Gottesdienstgestaltung. Die meisten von ihnen sind selbst im Gemeindeleben aktiv als Chorleiterin, Lektor oder Organistin oder wirken in Gemeindekreisen mit.
Die wichtigsten Entscheidungen über Bauvorhaben betrafen in den vergangenen 30 Jahren im Jahr 1977 die Sanierung des Kirchendaches und der Kirchenfassade, 1978 den Anbau des Gemeindesaales, 1990 den Austausch morscher oder von Holzwürmern zerfressener Balken im Dachstuhl des Pfarrhaus, 1998 die Sanierung der Pfarrhausfassade und 2000 die Innenrenovierung der Kirche.
Besonders im letzteren Projekt hat sich der Kirchenvorstand über die bloße Beschlussfassung hinaus stark engagiert. Er organisierte die Erwirtschaftung von Spendengeldern durch den Verkauf von Postkarten, von Jubiläumsglöckchen zum 500. Geburtstag der Glocke Jesus-Maria oder von Getränken und Speisen bei Gemeindefesten. Bei der Farbgestaltung des Innenraumes wirkte er maßgeblich mit.
Großes Engagement zeigt der Kirchenvorstand jedes Jahr, wenn er an der Haustür um Spenden für die Ärmsten dieser Welt bittet, die „Brot für die Welt“ in den weniger entwickelten Ländern betreut. Für Menschen, denen über diakonische Einrichtungen geholfen wird, sammeln jeweils im September die Konfirmandinnen und Konfirmanden mit Spendenliste. Viele Aktivitäten mit und für Kinder kennzeichnen das Leben der Kirchengemeinde Niederaula. In der Regel findet die erste Begegnung der Kinder mit der Kirche bei ihrer Taufe statt. Taufgottesdienste finden bei Bedarf einmal im Monat nach der neuen Agende von 1994 der Landeskirche von Kurhessen-Waldeck statt. Der Kinderchor singt gerne zu diesen Anlässen. Im Evang. Kindergarten Niederaula werden Kindern einfache biblische Geschichten erzählt. Sie beginnen ihre Mahlzeiten mit dem Tischgebet. Familiengottesdienste werden mit den verschiedenen Gruppen des Kindergartens gefeiert.
Großen Zuspruch fand in den letzten Jahren der „Lebendige Adventskalender“, in den Gruppen, Vereine, Familien und öffentliche Einrichtungen unter Organisation der Kirchengemeinde Kinder von 6 – 10 Jahren einladen und mit ihnen eine adventliche Stunde gestalten. Sonntags findet er als Kinderkirche im Gemeindesaal statt. Der „L.A.“ hilft Kindern in der Hektik der „Vorweihnachtszeit“ die Geheimnisse des Advents wie Licht, Erwartung, Stille oder Spannung als Vorbereitung auf die Ankunft von Gottes Sohn in der Welt zu erleben.
Höhepunkte in den vergangenen Jahren waren immer wieder kleine und große kirchenmusikalische Anlässe in der Niederaulaer Kirche. Dazu zählen der musikalische Kirchspielgottesdienst am 4. Advent ebenso wie die Aufführungen biblischer Musikspiele durch den Kinderchor, die Auftritte von auswärtigen Kosaken- und Gospelchören, musikalische Andachten in der Advents- und Passionszeit, Gitarren-, Chor-, Orgel- und Bläsermusik. Zweifelsohne liegt hier ein Schwerpunkt in der Gemeindearbeit, der nur möglich ist, weil in all diesen Bereichen qualifizierte Kirchenmusiker engagiert tätig sind.
Einen anderen Schwerpunkt bilden bereits seit den 60er Jahren Fahrten und Ausflüge. Da sind zuerst die gemeinsamen Ausflüge der Frauenhilfen zu nennen. Es folgen die Halbtagesfahrten des Seniorennachmittages (seit den 80er Jahren). Ebenfalls zu dieser Zeit begann Pfarrer Brauer mit Jugendlichen in Etappen durch Deutschland zu wandern. Fahrten nach Rogäz hielten zu Zeiten der Mauer und der Zonengrenze unter schwierigen Bedingungen den Kontakt zur Partnergemeinde an der Elbe.
Mit der Pfarrfamilie Ewald ergaben sich über den Kirchenchor neue Kontakte nach Ketzin/Havel in Brandenburg. Und 2003 fand bereits das 8. Mal eine mehrtägige Gemeindefahrt in die Schweiz statt, wohin Pfarrer Ewald gute persönliche Kontakte besitzt, die die Fahrten bereichern.
Schon lange bestand in der Marktgemeinde Niederaula der Wunsch nach einer fest eingerichteten Jugendarbeit. Im August 2002 konnte endlich die Evang. Ortsjugendpflege Niederaula eröffnet werden. Sie betreut nun Gruppen vom Kinderalter bis zu jungen Erwachsenen und macht Angebote im Jugendraum in der Bahnhofstraße Niederaula und in den anderen Ortsteilen. Anstellungsträger der Ortsjugendpflegerin ist die Kirchengemeinde Niederjossa. Über ein Kuratorium sind alle Kirchengemeinden ebenso wie die Marktgemeinde beteiligt.
Ein Zweckverband aller evang. Kirchengemeinden und Kommunen des Südkreises Hersfeld trägt die Gemeindekrankenpflegestation mit Sitz in Niederaula (seit 1996 im umgebauten Osttrakt des Kindergartengebäudes im Kirchweg).
1922 im alten Hospital gegründet, 1941 – 45 von der N.S.V. zwangsweise übernommen, 1946 wiedereröffnet, 1964 im neu errichteten Gebäude im Kirchweg mit Unterstützung der Kommune weiter betrieben, spielte der Evang. Kindergarten immer eine wichtige Rolle im Leben der Kirchengemeinde Niederaula. Mit der Gebietsreform wurde der Kindergarten Niederaula nach und nach auch zum Kindergarten für Mengshausen, Hattenbach und Kerspenhausen. Dem trug der Kirchenvorstand Niederaula 1992 Rechnung, indem er der Gründung der „ZV Evang. Kindergarten Niederaula“ zustimmte. Nun waren auch die anderen Kirchengemeinden gleichberechtigt an der Trägerschaft beteiligt. 1994 wurde das neue Gebäude in der Schlitzer Straße bezogen(siehe hierzu Näheres an anderere Stelle dieer Chronik).
Zum Schluss soll ein wichtiges Kapitel der Niederaulaer „Kirchengeschichte“ nicht unerwähnt bleiben, die Ökumene. Die Gemeinschaft zwischen kath. und evang. Kirche wächst, zumindest vor Ort, beständig. Ökumen. Gottesdienste sind mittlerweile selbstverständlich, sei es zum Schulanfang oder zum Reichsprogromnachtgedenken, zur Eröffnung des Ökumen. Altennachmittags, zur konfessionsverbindenden Ehe und im Jubiläumsjahr 2004 zur Festeröffnung. Im Kirchenkalender finden sich die. Firmgruppen wie Bilder von Konfirmandentagungen. Erstmals fand 2003 ein ökumenischer Kreuzweg der Jugend statt. Zu besonderen Anlässen erstreckte sich Ökumene auch auf gemeinsames Gebet mit Muslimen (Männersonntag 1992, Friedensgebet zum 11. September 2001). Nach der Rückkehr der Chrischonagemeinschaft in den Hersfelder Bezirk der Landeskirchlichen Gemeinschaft intensivierten sich auch die Kontakte zur Kirchengemeinde Niederaula. Dies alles sind ermutigende Zeichen für das gelingende Zusammenleben so unterschiedlicher Menschen in unserer Gemeinde und in der Welt. Mit ihrem Aufeinanderzugehen geben sie schließlich niemandem anderen die Ehre als Gott allein: Soli die gloria.